zeitgeschichtliche Entwicklung
Über die Anfänge der Besiedlung von Norderney liegen keine Quellen vor. Es ist anzunehmen, daß sich im 13. oder 14. Jahrhundert die ersten Menschen auf Norderney dauerhaft niedergelassen haben. Sie gingen der Fischerei nach, da der dürftige Boden Ackerbau und Viehzucht kaum zuließ. Ein Dorf entwickelte sich im Westteil der Insel und bestand zunächst nur aus wenigen Häusern. Auffälligstes Gebäude der Insel war ein Wehrturm, welcher in den alten Segelanweisungen als typisches Merkmal der Insel erwähnt wird. Dieser Turm diente den Einwohnern als Schutz- und Fluchtraum, vor allem aber als Lagerplatz für geborgene Strandgüter. Die Bergung von Strandgut - Ladung und Ausrüstung von Schiffen, die im Sturm untergingen oder auf einer vorgelagerten Sandbank strandeten - war eine wichtige Einnahmequelle der Insulaner und ein verbrieftes Recht, übertragen vom Landesherrn. Über die gerechte Verteilung des Strandgutes wachte der Inselvogt, der in Vertretung des Landesherrn die Verwaltung und Polizeiaufsicht wahrnahm. Um 1550 wohnten etwa 80 Personen auf der Insel, 1709 waren es 304 Personen, die in 54 Häusern lebten. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts trat die Fischerei gegenüber der Frachtschiffahrt und dem Kauffahrteihandel für festländische Handelshäuser immer mehr zurück. Mehr als 40 Norderneyer Schiffe befuhren die Nord- und Ostsee. 1797 bot der Vogt Feldhausen den ostfriesischen Landständen die Einrichtung eines privaten Seebades auf Norderney an, nachdem bereits in den Vorjahren auf Anraten festländischer Ärzte einige Kranke auf der Insel Genesung und Heilung suchten. Auf ein Gutachten des Medizinalrates Dr. Friedrich Wilhelm von Halem beschlossen die Landstände am 9. Juni 1797 die Gründung einer öffentlichen Seebadeanstalt, was durch König Friedrich Wilhelm II. von Preußen im Oktober des Jahres genehmigt wurde. Ein Conversationshaus und ein Badehaus wurden errichtet, die Insulaner zur Schaffung von Unterkünften animiert, Damen- und Herrenbad ausgewiesen und mit Badekarren bestückt. Offiziell wurde das Seebad im Jahre 1800 eröffnet; 250 Kurgäste besuchten die Insel. Während der holländisch-französischen Besatzungszeit (1806-1813), nachdem Ostfriesland zunächst Teil des Königreiches Holland, ab 1810 Departement des französischen Kaiserreiches Napoleons geworden war, kamen Seehandel, Fischerei gänzlich zum Erliegen und auch die Seebadeanstalt mußte schließen. Die Insel erhielt 1811 eine Besatzung von 300 Soldaten und östlich des Ortes wurde eine Schanze zur Abwehr englischer Landungsunternehmungen gebaut. 1813 räumten die Franzosen die Insel. 1815 wurde das ehemals preußische Ostfriesland an das Königreich Hannover abgetreten und 1819 Norderney damit "Königlich hannoversche Seebadeanstalt". Zum Hauptgewerbe der Insulaner entwickelte sich nach 1813 die Fischerei. 20 Boote lagen 1825 auf der Rheede der Insel. In den 1860er Jahren erreichte die Fischerflotte mit 76 Booten und 251 Mann Besatzung den Höchststand. Begünstigt wurde dies durch ein Prämiensystem der Landesregierung sowie die Umstellung von der Netz- auf die Angelfischerei. Gefangen und vermarktet wurden ausschließlich Schellfische. Zunehmende Konkurrenz durch Fischdampfer und die Abwanderung der Schellfischschwärme führten bis zum Ende des Jahrhunderts zum Erliegen der Fischerei. 1912 betrieben nur noch 12 Boote den Fischfang. Seit 1836 besuchte der hannoversche Kronprinz, der Herzog von Cumberland, die Insel und verlegte nach 1851 die Hofhaltung während der Sommermonate nach Norderney. Das Seebad erfuhr dadurch eine starke Förderung und entwikkelte sich bereits während dieser Zeit zu einem beliebten Modebad "besserer" Kreise. 1866 wurde das Königreich Hannover von Preußen annektiert, die Insel damit "Königlich preußische Seebadeanstalt". Bis dahin hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt (1431 Einw.); die Zahl der Badegäste stieg auf über 3 100. Die Aufhebung der Freizügigkeitsbeschränkungen und die Einführung der Niederlassungs- und Gewerbefreiheit bewirkten einen starken Zuzug zur Insel und die Gründung zahlreicher Gewerbebetriebe. Dies wurde durch die allgemein günstige Wirtschaftslage in Deutschland, steigende Gästezahlen und einem Bauboom auf der Insel ausgelöst.   Ende des Jahrhunderts lebten 4 038 Personen auf Norderney, die Zahl der Badegäste hatte sich auf über 25 000 erhöht. Der Ort verfügte über eine Vielzahl von Einrichtungen, die eher der Infrastruktur einer größeren Stadt auf dem Festland entsprach: Gasbeleuchtung, Wasserwerk, Kanalisation, geregelte Müllabfuhr, Krankenhaus, Zentralschulgebäude. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde der Badebetrieb gänzlich einge-stellt und die Insel zu einer Seefestung ausgebaut. Nach 1935 wurde die Insel weiter zu einem Militärstützpunkt ausgebaut, neben Geschützstellungen in den Dünen entstanden Kasernen an der Mühle und der Lippestraße sowie zahlreiche Wohngebäude für Militärs und Zivilangestellte und die Siedlung "Nordhelm". Wesentlich erweitert wurde auch der bereits im Ersten Weltkrieg angelegte Seefliegerhorst am Hafen. Alliierte Luftangriffe zerstörten nur wenige Gebäude auf der Insel. Im Mai 1945 wurde die Insel kanadischen Truppen kampflos übergeben. Die englische Militärverwaltung richtete nach dem Krieg auf Norderney ein Erholungszentrum für Soldaten und Angehörige der Besatzungstruppen ein und beschlagnahmte dafür die Einrichtungen des Seebades und dazu einige größere Hotels. Weiterer Wohnraum wurde zur Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen (1947: 1600 Personen) genutzt. Im Juli 1946 genehmigte die Militärverwaltung eine beschränkte Aufnahme von Kurgästen. Am Ende der Saison hatten mehr als 14 300 Gäste das Seebad besucht. 1948 wurden der Gemeinde die Stadtrechte verliehen und Norderney wurde staatlich anerkanntes Nordseeheilbad. 1952 wurden die von der britischen Armee genutzten Einrichtungen des Seebades freigegeben. In diesem Jahr besuchten 68 000 Gäste die Insel. Das Staatsbad führte in den 60er Jahren umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der fremdenverkehrlichen Einrichtungen durch. Zur Zeit leben auf Norderney 6 500 Menschen, hinzu kommen ca. 3 600 Personen, die auf der Insel mit Zweitwohnsitz gemeldet sind. Mehr als 240 000 Gäste (ca. 2,8 Mio. Übernachtungen) verbringen alljährlich ihren Urlaub auf Norderney oder sind zur Kur hier. Die Stadt Norderney verfügt heute über alle Einrichtungen, die zur Versorgung ihrer Einwohner und Gäste notwendig sind. Die Anbindung zum Festland ist durch die tideunabhängige Fährverbindung kein Problem; gute Anbindungen per Bahn und Straße bestehen zu den Zentren des nahen und ferneren Festlandes. Fast alle Norderneyer finden auf der Insel Arbeit, sei es im Fremdenverkehrsgewerbe, im Handel, Handwerk und Dienstleistungsgewerbe. Die ärztliche Versorgung ist gesichert, der Schulbesuch bis zur Oberstufe des Gymnasiums garantiert. Viele Vereine und Verbände freuen sich über neue Mitglieder, Veranstaltungen und Kultur bieten Unterhaltung und Zerstreuung - Norderney, hier läßt's sich leben.